2 (Hoch-)Schulmathematik strukturieren

Ziele

  • Sie erkennen den Nutzen der Hochschulmathematik bei der Entscheidungsfindung zur Spezifizierung und Strukturierung der Schulmathematik auf der formalen Ebene des Vier-Ebenen-Ansatzes.
  • Sie kennen geeignete Quellen zur Beantwortung der Fragen auf der formalen Ebene des Vier-Ebenen-Ansatz
  • Sie kennen verschiedene Möglichkeiten, Mathematik zu strukturieren.
  • Sie können beschreiben, woher die verschiedenen Strukturierungsmöglichkeiten kommen.

Material

2.1 Doppelte Diskontinuität

Auf der formalen Ebene des Vier-Ebenene-Ansatzes soll der zu betrachtende Lerngegenstand fachmathematisch untersucht werden, um eine erste Auswahl (Spezifizierung) und Anordnung (Strukturierung) der Lerninhalte zu ermöglichen. Dies ruft natürlich – auch für Lerngegenstände der Grundschulmathematik – danach, die im Studium erworbenen hochschulmathematischen Erkenntnisse zu nutzen. Dieser Ruf wird jedoch (scheinbar!) geschmälert durch eine offensichtliche Ungleichheit zwischen Schulmathematik und Hochschulmathematik. Felix Klein beschreibt dieses Phänomen, das sich insbesondere auf die Ausbildung von Lehrkräften auswirkt, bereits im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhunderts als doppelte Diskontinuität: »Der junge Student sieht sich am Beginn seines Studiums vor Probleme gestellt, die ihn in keinem Punkte mehr an die Dinge erinnern, mit denen er sich auf der Schule beschäftigt hat; natürlich vergißt er daher alle diese Sachen rasch und gründlich. Tritt er aber nach Absolvierung des Studiums ins Lehramt über, so soll er plötzlich eben diese herkömmliche Elementarmathematik schulmäßig unterrichten; da er diese Aufgabe kaum selbständig mit seiner Hochschulmathematik in Zusammenhang bringen kann, so wird er in den meisten Fällen recht bald die althergebrachte Unterrichtstradition aufnehmen, und das Hochschulstudium bleibt ihm nur eine mehr oder minder angenehme Erinnerung, die auf seinen Unterricht keinen Einfluß hat.« (Klein, 1967, S. 1)2

Einen Ausweg, dieser doppelten Diskontinität zu entgehen, sah Klein in einer Elementarmathematik vom höheren Standpunkte aus (Klein, 1925, 1955, 1967). Dabei verfolgt er »das Ziel, im Anschluss an umfassende hochschulmathematische Erfahrungen die Schulmathematik in den erworbenen Wissenskanon fachlich einzubetten« (Danckwerts, 2013, S. 78).

Diesen Gedanken fortsetzend kann man auch »gleich am Anfang des Studiums direkt und explizit an die schulmathematischen Vorerfahrungen an[knüpfen], bleibt inhaltlich bei diesen und arbeitet einen höheren Standpunkt heraus, der auf die vertiefte Auseinandersetzung mit der Oberstufenmathematik zielt und prinzipiell mit den bis dahin erworbenen (elementar-)mathematischen Mitteln auskommt.« (Danckwerts, 2013, S. 78) Eine solche Entwicklung hat das Projekt Mathematik Neu Denken verfolgt, das gut 100 Jahre nach Kleins Publikationen die Lehramtsausbildung im Fach Mathematik weiterentwickeln wollte (Beutelspacher et al., 2012). Entwickelt wird daraus eine Schulmathematik vom höheren Standpunkt, die auf eine fachliche und verstehensorientierte Durchdringung der Schulmathematik zielt, »ohne im vollen Umfang auf das Instrumentarium der kanonischen […] [Hochschulmathematik] zurückgreifen zu müssen« (Danckwerts, 2013, S. 87).

Im Rahmen der Stoffdidaktik-Veranstaltung sollen beide Ansätze aufgegriffen und an konkreten Beispielen versucht werden, die Fragen der formalen Ebene zu beantworten. Als bedeutsames Bindeglied zwischen Schul- und Hochschulmathematik stellen sich dabei fundamentale Ideen heraus, die auch schon auf die semantische Ebene des Vier-Ebenen-Ansatzes zielen – siehe dazu Abschnitt 2.3.4.

2.2 Geeignete Quellen

  • Neben den Werken von Felix Klein zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Klein, 1925, 1955, 1967) und aktuellen Ansätzen zum Umgang mit der doppelten Diskontinuität in der Lehramtsausbildung (Ableitinger et al., 2013; Beutelspacher et al., 2012) liefern die in den 1970er Jahren von Hans Freudenthal verfassten Werke zur Mathematik als pädagogische Aufgabe (Freudenthal, 1973c, 1973b; englischsprachig auch digital verfügbar über Freudenthal, 1973a) Ansätze, Schul- und Hochschulmathematik miteinander in Bezug zu bringen.

  • Ebenfalls hilfreich sind größere Nachschlagewerke zur Mathematik, bspw. die Kleine Enzyklopädie Mathematik (Gellert et al., 1986).

  • Nicht zu unterschätzen für die fachmathematische Auseinandersetzung sind auch fachdidaktische Quellen, insbesondere zur Didaktik der Sachgebiete. Als digital verfügbare Quellen seien zu erwähnen:

    • Didaktik der Algebra: nach der Vorlage von Hans-Joachim Vollrath (Weigand et al., 2022)
    • Didaktik der Geometrie für die Sekundarstufe I (Weigand et al., 2018)
    • Didaktik der Analysis. Aspekte und Grundvorstellungen zentraler Begriffe (Greefrath et al., 2016)
    • Didaktik der Stochastik in der Sekundarstufe I (Krüger et al., 2015)
    • Didaktik der Analytischen Geometrie und Linearen Algebra: Algebraisch verstehen – Geometrisch veranschaulichen und anwenden (Henn & Filler, 2015)
    • Mathematikunterricht in der Sekundarstufe II. Band 1: Fachdidaktische Grundfragen, Didaktik der Analysis (Tietze et al., 2000a)
    • Mathematikunterricht in der Sekundarstufe II. Band 2: Didaktik der Analytischen Geometrie und Linearen Algebra (Tietze et al., 2000b)
    • Mathematikunterricht in der Sekundarstufe II. Band 3: Didaktik der Stochastik (Tietze et al., 2002)
  • Ebenfalls hilfreich für die fachliche Spezifizierung und Strukturierung kann die Darstellung der Fachinhalte in Schulbüchern sein. Hier bietet sich eine vergleichende Analyse mehrerer Schulbücher, auch unterschiedlicher Bundesländer, an.

  • Nur gering geeignet für die Spezifizierung und Strukturierung sind die Bildungsstandstandards und Rahmenlehrpläne. Sie bieten – entsprechend ihrer Funktion – bereits eine Auswahl der zu unterrichtenden Inhalte und schränken damit die fachdidaktische Diskussion diesbezüglich ein.

2.3 Strukturierungsmöglichkeiten

Mathematik kann auf verschiedene Weisen strukturiert werden. Manche Strukturierungsmöglichkeiten orientieren sich stärker an der Fachwissenschaft (z. B. Sachgebiete), andere an der Bedeutung der Fachinhalte für die mathematische Kultur an sich (z. B. Fundamentale Ideen). Im Folgenden werden vier Strukturierungsmöglichkeiten vorgestellt.

2.3.1 Sachgebiete

Für die Fachwissenschaft Mathematik haben sich historisch verschiedene Unterdisziplinen entwickelt, die als Sachgebiete der Mathematik bezeichnet werden können. Schulrelevante Gebiete sind hierbei:

  • Arithemtik
  • Algebra
  • Geometrie
  • Analysis
  • Stochastik
  • Lineare Algebra / Analytische Geometrie

Auch heute bilden sich diese und weitere Sachgebiete (z. B. Numerik) in den Strukturen von universitären Lehrveranstaltungen, Forschungsrichtungen und nicht zuletzt der Strukturierung einzelner Lehrpläne der Schulen ab.

Für eine Vertiefung mit der Didaktik der Sachgebiete eignen sich u. a. die in Abschnitt 2.2 dargestellten Quellen. Weiterhin werden Sie im Masterstudium im Modul Ausgewählte Themen der Mathematikdidaktik3 die Möglichkeit haben, sich mit der Didaktik einzelner Sachgebiete näher auseinanderzusetzen.

2.3.2 Leitideen

Die Strukturierung mathematischer Inhalte in Leitideen ist seit Anfang der 2000er Jahre im deutschen Bildungswesen etabliert, als die KMK4 Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2004), den Primarbereich (2005) und später auch die Allgemeine Hochschulreife (2012) herausgebracht hat. Darauf aufbauend wurden in den meisten Bundesländern die Lehrpläne angepasst. Zwischenzeitlich wurden die Bildungsstandards für den Primarbereich sowie den Ersten und Mittleren Schulabschluss überarbeitet, für die gymnasiale Oberstufe gelten während der gerade laufenden Überarbeitung noch die von 2012. (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2012, 2022b, 2022a). In Brandenburg spiegeln sich die Bildungsstandards in den Rahmenlehrplänen für die Jahrgangsstufen 1 – 10 und die Gymnasiale Oberstufe wider (Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, 2022, 2023).

Im Laufe der letzten 20 Jahre haben sich für die Leitideen teils verschiedene Bezeichnungen ergeben. In den aktuellen Bildungsstandards des Ersten und Mittleren Schulabschlusses (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2022a) werden verwendet:

  • Leitidee Zahl und Operation
  • Leitidee Größen und Messen
  • Leitidee Strukturen und funktionaler Zusammenhang
  • Leitidee Raum und Form
  • Leitidee Daten und Zufall

Die Leitidee Zahl und Operation beispielweise »umfasst sinntragende Vorstellungen und Darstellungen von Zahlen und Operationen sowie die Nutzung von Rechengesetzen und Kontrollverfahren. Dazu gehören die sachgerechte Nutzung von Prozent- und Zinsrechnung ebenso wie kombinatorische Überlegungen und Verfahren, denen Algorithmen zu Grunde liegen.« (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2022a, S. 15). Weiterhin werden diese Kompetenzen an spezifischen Fachinhalten konkretisiert, etwa: »Die Schülerinnen und Schüler […] • untersuchen Zahlen nach ihren Faktoren, in einfachen Fällen ohne digitale Mathematikwerkzeuge, • stellen Zahlen der Situation angemessen dar, z.B. unter anderem in Zehnerpotenzschreibweise, • rechnen mit natürlichen, ganzen und rationalen Zahlen, die im täglichen Leben vorkommen, sowohl zur Kontrolle als auch im Kopf und erklären die Bedeutung der Rechenoperationen […]« (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2022a, S. 15)

Die Leitideen werden in den Bildungsstandards als inhaltsbezogene Kompetenzen beschrieben, die mit Abschluss des ersten bzw. mittleren Schulabschlusses zu erreichen sind. Es handelt sich dabei um Regelstandards, also Kompetenzen, die »Schülerinnen und Schüler im Durchschnitt in einem Fach erreichen sollen« (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2022a, S. 2). Diese sind abzugrenzen gegenüber Basiskompetenzen als »mathematisch zentrale, instrumentell bedeutsame und geradezu grundlegende Konzepte und Verfahren, die für die mathematische Kompetenzentwicklung unverzichtbar sind« (vgl. https://pikas-mi.dzlm.de/node/92). Für Basiskompetenzen gibt es derzeit in Deutschland keine politischen Dokumente wie Rahmenlehrpläne oder Bildungsstandards.

2.3.3 Arten mathematischen Wissens

Eine weitere Strukturierung mathematischen Wissens kann darin bestehen, den Blick darauf zu lenken, wie dieses Wissen angeeignet wird. So können ähnliche Aneigungsprozesse Motivation bieten, das Wissen entsprechend zu strukturieren und dies dann für die Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen nutzbar zu machen. Etabliert hat sich hierfür eine Unterscheidung in drei Arten mathematischen Wissens (vgl. Vollrath & Roth, 2012, S. 45 f.):

  • Begriffe. Diese bilden das Grundgerüst der Mathematik und belegen Objekte gleicher Eigenschaft mit einem gemeinsamen Bezeichner. Neben der Begriffsfestlegung, i. d. R. über eine Definition, ist der Einsatz geeignter Beispiele und Gegenbeispiele essentiell beim Aufbau eines Begriffsverständnisses.

  • Zusammenhänge Diese beschreiben Eigenschaften von Begriffen und ihre Beziehungen zueinander. Klassischerweise gehören hierzu mathematische Sätze inkl. ihrer Beweise, aber auch präformale Begründungen. Bei Vollrath & Roth (2012, 45 f.) wird statt von Zusammenhängen von Sachverhalten gesprochen, ältere Quellen beziehen sich auch nur auf Sätze.

  • Verfahren. Diese bestimmen, wie bestimmte Aufgaben zu lösen sind, z. B. schriftliche Rechenverfahren, Lösungsverfahren von Gleichungen und Gleichungssystemen.

Einige Autoren zählen zu den Verfahren auch heuristische Strategien zum Problemlösen oder die Anwendung des Permanenzprinzips (vgl. Steinhöfel et al., 1988, S. 23). Vollrath & Roth (2012, S. 46 ff.) ergänzen dagegen die drei Wissensarten noch:

  • Metamathematisches Wissen. Darunter ist zu verstehen, wie Mathematik betrieben wird, also bspw. welche Möglichkeiten es gibt, ein mathematisches Problem zu lösen oder eine Sachsituation mathematisch zu modellieren.

In den nächsten Kapiteln wird näher darauf eingegangen, wie Lernprozesse bei der Ausbildung der jeweiligen Wissensarten gestaltet werden können.

2.3.4 Fundamentale Ideen

2.3.4.1 Begriffsklärung

Die Entwicklung Fundamentaler Ideen beruft sich auf Bruners Annahme, dass »jedes Kind […] auf jeder Entwicklungsstufe jeder Lehrgegenstand in einer intellektuell ehrlichen Form erfolgreich gelehrt werden« kann (vgl. Bruner, 1976, S. 77). Voraussetzung dafür ist, dass die Struktur eines Inhaltsbereichs in einer Art und Weise präsentiert wird, dass sie dem Kind zugänglich wird. Diese hinter den Dingen liegende Struktur hebt sich vom konkreten Inhaltsbereich ab, ist allgemeinerer Natur und kann daher über Fundamentale Ideen beschrieben werden.

Ziel der Orientierung des Unterrichtens an Fundamentalen Ideen besteht v. a. darin, die (oftmals) isolierten Stoffelemente einzuordnen und in einem größeren Ganzen zu sehen. Im Umkehrschluss heißt dies aber auch, dass die Auswahl des konkreten Stoffes daran orientiert sein muss, wie dieser dazu beitragen kann, den dahinter liegenden mathematischen Kern und die zugehörigen Fundamentalen Ideen zu vertreten.

Die dazu seit den 1960er Jahren in Gang gesetzte Forschung führte zu vielfältigen Vorschlägen Fundamentaler Ideen der Mathematik – jedoch bisher nicht zu einem allgemeingültigen Katalog. Dieser Vielfalt in den Formulierungen und Kategorisierungen kann begegnet werden, indem Fundamentale Ideen über Eigenschaften charakterisiert werden. Schwill (1994) schlägt hierzu vor.

»Eine Fundamentale Idee bzgl. eines Gegenstandsbereichs (Wissenschaft, Teilgebiet) ist ein Denk-, Handlungs-, Beschreibungs- oder Erklärungsschema, das

  1. in verschiedenen Gebieten des Bereichs vielfältig anwendbar oder erkennbar ist (Horizontalkriterium),
  2. auf jedem intellektuellen Niveau aufgezeigt und vermittelt werden kann (Vertikalkriterium),
  3. in der historischen Entwicklung des Bereichs deutlich wahrnehmbar ist und längerfristig relevant bleibt (Zeitkriterium),
  4. einen Bezug zu Sprache und Denken des Alltags und der Lebenswelt besitzt (Sinnkriterium).«

Fundamentale Ideen haben zwar ihren Ursprung in der Fachstruktur, aber sie »sind nicht Elemente der Wissenschaft an sich, sondern Produkte unseres Verstandes, die wir der Wissenschaft aufprägen. Folglich können sie nur relativ zum Menschen objektiviert werden« (Schubert & Schwill, 2011, S. 62).

Überblick zur historischen Entwicklung Fundamentaler Ideen

  • von der Bank (2016, 37 ff.): Fundamentale Ideen der Mathematik: Weiterentwicklung einer Theorie zu deren unterrichtspraktischer Nutzung

Für Ihre stoffdidaktische Analyse können Fundamentale Ideen insbesondere hilfreich für die Dekonstruktion des Fachwissens und anschließende Rekonstruktion des Schulwissens sein.

Wenn sie also beispielsweise eine stoffdidaktische Analyse zur Flächeninhaltsberechnung durchführen, setzen Sie sich mit der Fundamentalen Idee des Messens auseinander. Dabei verstehen Sie Messvorgänge als Vergleiche zu einem Standardmaß (z. B. Kästchen auszählen), erkennen Zerlegungs- und Ergänzungsgleichheit als notwendige Prinzipien zur präziseren Beschreibung, sehen Dreiecke als bedeutsame Basisfiguren für Flächeninhaltsberechnungen an und haben den Blick für die Integralrechnung als verallgemeinerbare Methode zur Flächeninhaltsbestimmung krummliniger Figuren (vgl. Vohns, 2000, 98 ff.). Sie dekonstruieren (zerlegen) damit Ihr eigenes mathematisches Fachwissen.

Nun sind Sie in der Lage, das Wissen zur Flächeninhaltsberechnung für Schülerinnen und Schüler neu aufzubauen, also zu rekonstruieren und (unter Hinzunahme der Betrachtung von Grundvorstellungen und den restlichen Ebenen des Vier-Ebenen-Ansatzes) einen Lernpfad zu entwickeln. Im Zusammenhang mit der Integralrechnung kann dies z. B. heißen, dass Sie parallel zum Bilden von Ober- und Untersummen noch einmal eine krummlinig begrenzte Fläche durch Kästchen auszählen lassen – ggf. mit unterschiedlicher Feinheit und einer Abschätzung nach oben und nach unten. Die Fundamentalen Ideen haben für Sie damit auch eine ordnende Funktion des Unterrichtsstoffes.

Flächeninhaltsbestimmung

Abb. 2.1: Flächeninhaltsbestimmung

2.3.4.2 Auswahl Fundamentaler Ideen

Das Fehlen eines allgemeingültigen Katalogs sollte nicht davon abhalten, bestehende Auflistungen und Strukturierungen Fundamentaler Ideen zu betrachten. von der Bank (2013, S. 103) und Lambert (2012) diskutieren eine Kategorisierung Fundamentaler Ideen in drei Bereiche:

  • Inhaltsideen beziehen sich auf konkrete Inhaltsbereiche der Mathematik, die die Kriterien Fundamentaler Ideen erfüllen können. Nicht ganz zufällig spiegeln diese sich in den Leitideen der Bildungsstandards wider (siehe Abschnitt 2.3.2).

  • Schnittstellenideen haben die Eigenschaft, dass durch sie die »Mathe(matik) wirkt« und »auch für andere Fächer in ihrer je spezifischen Weise relevant sind« (Lambert, 2012). Damit korrelieren sie mit den prozessbezogenen Kompetenzen der Bildungsstandards.

  • Tätigkeitsideen beziehen sich insbesondere auf innermathematische Tätigkeiten, die sich über verschiedene Inhaltsbereiche hinweg zeigen. Lambert (2012) betont, dass es diese (über die Bildungsstandards hinaus) ebenfalls zu beachten gilt, wenn man einen reichhaltigen Mathematikunterricht bewirken möchte.

Beispiele derartiger Tätigkeitsideen sind:

  • Approximierung
  • Optimierung
  • Linearität/Linearisierung
  • Symmetrie
  • Invarianz
  • Rekursion
  • Vernetzung
  • Ordnen
  • Strukturierung
  • Formalisierung
  • Exaktifizierung
  • Verallgemeinern
  • Idealisieren

Im Rahmen des Projektmoduls Erweitertes Fachwissen für den schulischen Kontext in Mathematik5 werden Sie insbesondere Bezüge zwischen Schul- und Hochschulmathematik auf Basis Fundamentaler Ideen herstellen, wofür die Inhalts- und Tätigkeitsideen von hoher Relevanz sind.

2.3.4.3 Beispiel Linearität

Horizontal- und Vertikalkriterium

Linearität ist ein wesentliches Konzept über die gesamte Schullaufbahn hinweg (und darüber hinaus). Dies spiegelt sich in vielfältigen Themenbereichen wider, die sowohl die Breite (Horizontalkriterium) als auch Tiefe (Vertikalkriterium) von Linearität und (später) auch Linearisierung zeigen. Dieser Abschnitt orientiert sich an den Darstellungen von Danckwerts (1988).

  • Linearität als Phänomen tritt schon im Geometrieunterricht der Grundschule mit Geraden als essentielle geometrische Objekte auf. In der euklidischen Geometrie sind Geraden neben Punkten die Basisobjekte eines axiomatischen Aufbaus.
  • Das Distributivgesetz \(a\cdot (b+c) = a\cdot b + a\cdot c\), das ebenfalls bereits in der Grundschule behandelt wird, beschreibt einen linearen Vorgang und bietet die Grundlage für die halbschriftliche Multiplikation. Über die Schulmathematik hinaus dient es z. B. als eines der Vektorraumaxiome (Skalarmultiplikation).
  • Das Bestimmen eines Rechteckflächeninhalts ist ein linearer Vorgang: Ein Rechteck, das doppelt so breit ist, hat (bei gleicher Höhe) einen doppelt so großen Flächeninhalt. Betrachtet man diese Eigenschaft nicht als Phänomen, sondern als Forderung an eine Flächeninhaltsformel, so kann aus den Bedingungen \(A(a_1+a_2,b) = A(a_1,b) + A(a_2,b)\) und \(A(a,b_1+b_2) = A(a,b_1)+A(a,b_2)\) sowie der Stetigkeit in \(\mathbb{R}^+\) die Formel \(A(a,b) = a\cdot b\) abgeleitet werden.
  • Lineare Zuordnungen der Art \(f(x+y) = f(x)+f(y)\) werden zu Beginn der Sekundarstufe I als proportionale Zuordnungen behandelt. Dies wird fortgeführt bei linearen Funktionen der Art \(f(x) = mx+n\), in der Fachmathematik als affin-lineare Abbildungen bezeichnet.
  • Lineare Gleichungen und Gleichungssysteme sind ebenfalls bedeutsamer Bestandteil des Mathematikunterrichts. Überhaupt baut die gesamte Lineare Algebra auf lineare und affin-lineare Abbildungen auf.
  • Die Strahlensätze beschreiben ebenfalls ein lineares Verhalten: Geradenabschnitte in \(c\)-facher Entfernung sind \(c\) mal so lang.
Strahlensatzfigur

Abb. 2.2: Strahlensatzfigur

  • Beim Ableitungsbegriff ist eine wesentliche Vorstellung, dass die Funktion in der Umgebung der zu betrachtenden Stelle linearisiert wird. Insbesondere bei höherdimensionalen Funktionen wird der Linearisierungsansatz weiterverfolgt. Die ebenfalls vorherrschende Tangentenvorstellung ist auf mehr als drei Dimensionen nicht mehr anschaulich übertragbar – der Linearisierungsansatz weist hier aufgrund seiner algebraischen Beschreibung die bessere Verallgemeinerbarkeit auf.
  • Eng an den Linearisierungsansatz angelehnt ist die lineare Approximation von Funktionen (z. B. \(\sin(x)\approx x\) für \(x\approx 0\)). Die führt sich in der Hochschulmathematik fort, beispielsweise bei Taylor-Reihen.
  • Das Bedürfnis der Linearisierung, insbesondere aus der Physik heraus, zeigt sich auch bei der Nutzung spezifisch skalierter Diagrammachsen, z. B. von Logarithmuspapier. Wegen der Äquivalenz von \(y = c\cdot a^x\) und \(\ln y = (\ln a )\cdot x + \ln c\) lassen sich beliebige Exponentialfunktionen auf Logarithmuspapier als lineare Funktionen darstellen.
  • Verschiedene Näherungsverfahren, wie das Newton-Verfahren, bedienen sich ebenfalls der Linearisierung.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Linearität derart fundamental ist, dass selbst nicht-lineare Zusammenhänge häufig fälschlicherweise als linear angenommen werden. Dies zeigt sich zum Beispiel an den Fehlannahmen \((x+y)^2 \overset{?!}{=} x^2+y^2\), \(\sqrt{x+y} \overset{?!}{=} \sqrt{x}+\sqrt{y}\) oder \(\sin(x+y) \overset{?!}{=} \sin(x)+\sin(y)\). Derartige Fehler können Sie als Lehrkraft besser einordnen (und korrigieren), wenn Sie sich der Fundamentalen Idee Linearität (die hier eben nicht gilt) bewusst sind. Insbesondere spricht dies auch für ein Explizitmachen der Fundamentalen Idee Ihren Schülerinnen und Schülern gegenüber, so dass Sie derartigen Fehlern nicht nur mit Gegenbeispielen entgegen treten können, sondern auch eine strukturelle Einordnung sichtbar machen können.

Gerade wegen der genannten Fehlannahmen und der für die Schülerinnen und Schüler i. d. R. nicht in Zusammenhang gebrachten Dualität aus geradlinig und additiv und homogen sehen Tietze et al. (2002, S. 39) die Linearität dagegen nicht als eine im Mathematikunterricht etablierte Fundamentale Idee, »die die Schüler erkennen und die ihr Denken ordnet und anregt«.

Zeit- und Sinnkriterium

Linearität zeigt sich auch in der historischen Entwicklung der Mathematik als eine prägende Leitlinie, womit sie das Zeitkriterium Fundamentaler Ideen erfüllt. In der Linearen Algebra sei beispielsweise das Lösen linearer Gleichungssysteme im 18. Jahrhundert bis hin zum Gauß-Algorithmus im 19. Jahrhundert oder die Darstellung linearer Vorgänge mit Matrizen im 17./18. Jahrhundert erwähnt (vgl. Tietze et al., 2000b, 73 ff.). In der Analysis spiegelt sich die Linearität bzw. Linearisierung in der gesamten Differenzialrechnung wider, von der Interpolation nach der Jahrtausendwende über Taylors Linear perspective von 1715 (vgl. Brückler, 2018, 39,119) bis in die Gegenwart der linearen Modellierung nichtlinearer Zusammenhänge.

Historische Originalausgabe

Taylor (1715): Linear perspective

Auch Alltagssituationen bzw. die Alltagssprache ist von Linearität geprägt. Beispielsweise treten proportionale Zuordnungen unmittelbar beim Einkaufen auf, wenn Waren abgewogen und der Preis bestimmt wird. Auch reale Messvorgänge, wie z. B. die Geschwindigkeitsmessung, beziehen sich in der Regel auf die Messung von (sehr kurzen) Zeitintervallen, in denen ein lineares Verhalten angenommen wird. Das Sinnkriterium zeigt sich aber auch in Begriffen wie lineares Fernsehen oder lineare Erzählungen. Dies ist zwar keine mathematische Linearität im Sinne der Formel \(f(x+y) = f(x) +f(y)\), aber der Begriff findet in einer verwandten Bedeutung in der Alltagssprache Verwendung.

2.3.4.4 Gegenbeispiele

Zur Verständnisförderung sollen noch ein paar Gegenbeispiele für Fundamentale Ideen angebracht werden.

  • Das bereits erwähnte Distributivgesetz an sich ist zwar elementar, aber ihm fehlt die Weite, womit es nicht das Horizontalkriterium erfüllt. Die Linearität als dahinterliegende Idee ist dagegen weit genug (vgl. ähnliche Argumentation zum Kommutativgesetz und der dahinterliegenden Idee der Invarianz bei Schubert & Schwill, 2011, S. 63).
  • Der Umkehrfunktion fehlt das Sinnkriterium, da dieser Begriff in der Lebenswelt außerhab der Mathematik kaum von Relevanz ist. Dahinter liegt vielmehr die Idee der Reversibilität als »Umkehrbarkeit von Operationen mit Wiederherstellung des Ausgangszustandes« (Schubert & Schwill, 2011, S. 63).

2.4 Beispiel Negative Zahlen

Am Beispiel der negativen Zahlen soll dargestellt werden, wie eine Sichtweise vom höheren Standpunkt auf die in der Schule relevante Behandlung dieses Lerngegenstands zur Spezifizierung und Strukturierung helfen kann. Dabei beinhalten die negativen Zahlen sowohl die ganzen Zahlen als auch die rationalen Zahlen.

2.4.1 Natürliche Zahlen

Fachmathematisch können die ganzen Zahlen aus den natürlichen Zahlen generiert werden. Hierzu sollen zunächst die natürlichen Zahlen selbst fachmathematisch eingeordnet werden. Im Prinzip bestehen zwei Sichtweisen, nämlich die Einführung über die Peano-Axiome sowie die Betrachtung gleichmächtiger Mengen.

Aus den Peano-Axiomen (Wikipedia, 2021a) folgt zunächst die Existenz einer Reihenfolge von Zahlen (also Nachfolger der \(0\)), die dann mit \(1\), \(2\), \(3\) usw. bezeichnet werden können.6 Diese Bezeichnung erlaubt jedoch noch keinerlei Berechnungen, nicht einmal eine Ordnungsrelation ist vorhanden. Es kann also (noch) nicht gesagt werden, dass \(3\) größer ist als \(1\). Vielmehr lässt sich die Situation eher mit einem Alphabet vergleichen7, bei dem auch nicht C größer als A ist.

Für eine Ordnungsrelation bedarf es zunächst der Definition der Addition über \(n+0 := n\) und \(n+k' := (n+k)'\) für alle \(n,k\in\mathbb{N}\) mit der (aus den Peano-Axiomen existierenden) Nachfolgerbildung \('\). So gilt etwa mit \(1:=0'\): \({\color{blue} 1}+{\color{red} 1} = {\color{blue} 1}+{\color{red} {0'}} = ({\color{blue} 1}+{\color{red} 0}){\color{red} '} = 1{\color{red} '} =: 2\). So kann nun induktiv jede höhere Additionsaufgabe generiert werden. Darauf aufbauend kann die Ordnungsrelation \(n<m\) über die Existenz eines \(k\in\mathbb{N}\backslash\{0\}\) mit \(m = n+k\) definiert werden. Die Subtraktion \(m-n = k\) ist nun wiederum über die Umkehroperation \(n+k = m\) definierbar, sofern \(m\geq n\).

Die Gleichmächtigkeit (z. B. endlicher) Mengen \(M\) und \(N\) wird über die Existenz einer Bijektion zwischen diesen beiden Mengen definiert, siehe Abbildung 2.3.

Gleichmächtigkeit von Mengen

Abb. 2.3: Gleichmächtigkeit von Mengen

Diese Relation ist eine Äquivalenzrelation, also symmetrisch, reflexiv und transitiv. Damit können Äquivalenzklassen gebildet werden, die die Mächtigkeit der Menge angeben. \(4\) ist dann der Bezeichner für die Äquivalenzklasse von vierelementigen Mengen. Die Addition \(n+k\) entspricht dann der Mächtigkeit der Vereinigungsmenge von Mengen mit den Mächtigkeiten \(n\) und \(k\), vgl. Abbildung 2.4.

Additionsergebnis als Äquivalenzklasse der Vereinigungsmenge

Abb. 2.4: Additionsergebnis als Äquivalenzklasse der Vereinigungsmenge

2.4.2 Ganze Zahlen

Da innerhalb der natürlichen Zahlen noch nicht beliebig subtrahiert werden darf, stehen auch keine negativen Zahlen als Ergebnisse zur Verfügung. Um dennoch das Ergebnis bspw. der Aufgabe \(2-7\) »definieren« zu können, bietet sich erneut eine Äquivalenzrelation über die »Differenzengleichheit« an. Konkret lässt sich für \(k,l,m,n\in\mathbb{N}\) sagen: \((k,l)\sim (m,n):\Leftrightarrow k+n=l+m\) Das heißt z. B., dass die Zahlenpaare \((2,7)\), \((0,5)\) und \((4,9)\) in Relation zueinander stehen, weil sie dieselbe »Differenz« haben (obwohl es die Differenz formal noch nicht gibt). Dies ermöglicht nun die Einführung des Bezeichners \(-5\) für die Äquivalenzklasse \([(0,5)]\).

Das Vorgehen ist verträglich mit den bisherigen Regeln in \(\mathbb{N}\), d. h. es führt nicht zu Widersprüchen, wenn etwa das Zahlenpaar \((7,4)\) betrachtet wird mit dem Repräsentanten-Bezeichner \(3\). Die Menge aller Äquivalenzklassen (bzw. deren Kurzbezeichner) ist nun \(\mathbb{Z}\).

Die Addition und Subtraktion zweier Zahlenpaare sind nun definierbar:

\[\begin{align} (k, l) + (m, n) := (k + m, l + n)\\ (k, l) − (m, n) := (k, l) + (n, m) \end{align}\]

Als Alternative bietet sich ein axiomatisches Vorgehen an, also dass die ganzen Zahlen mit der Addition als abelsche Gruppe definiert werden – bedeutsam ist hier insbesondere die Existenz eines Inversen zu jeder Zahl.

2.4.2.1 Permanenzprinzip und Permanenzreihen

Wie bereits erwähnt, führen die neu eingeführte Addition und Subtraktion in \(\mathbb{Z}\) nicht zu Konflikten mit den bisherigen analogen Operationen in \(\mathbb{N}\). Dies wird über das Permanenzprinzip gefordert, nach dem neue Theorien (z. B. das Rechnen mit negativen Zahlen) soweit wie möglich verträglich sein müssen mit bisherigen Theorien (z. B. das Rechnen mit positiven Zahlen).

Sichtbar gemacht werden kann dieses Prinzip über Permanenzreihen. Dies ist insbesondere dann hilfreich, wenn für bestimmte Rechenoperationen keine geeigneten realen Veranschaulichungen existieren. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Multiplikation zweier negativer Zahlen. Kann die Multiplikation einer natürlichen Zahl (erster Summand) mit einer negativen Zahl (zweiter Summand) außermathematisch noch als mehrfache Verschuldung aufgefasst und die Vertauschung von erstem und zweitem Summanden über das Kommutativgesetz innermathematisch erklärt werden, bietet die Multiplikation zweier negativer Zahlen keine so naheliegende Interpretation. Abbildung 2.5 stellt eine Permanenzreihe dar, anhand derer die Rechnung \((-3)\cdot (-5)\) erklärt werden kann.

Permanenzreihe zur Multiplikation zweier negativer Zahlen

Abb. 2.5: Permanenzreihe zur Multiplikation zweier negativer Zahlen

Entscheidend ist beim Aufstellen von Permanenzreihen jedoch, dass der Übergang von einer Zeile zur nächsten auf einem entsprechenden Rechengesetz beruht. Im Abbildung 2.5 ist dies das Distributivgesetzt \((a-1) \cdot b = a \cdot b - b\). Varnachlässigt man die Existenz einer Übergangsregel, lassen sich plausibel erscheinende Muster fortsetzen (wie \(0^3 = 0\), \(0^2 = 0\), \(0^1 = 0\)), die dann allerdings zu falschen Schlussfolgerungen (\(0^0 = 0\)) führen. Im dargestellten Beispiel kann die Übergangsregel \(a^{m-1} = a^m : a\) wegen \(a = 0\) nicht angewandt werden.

2.4.2.2 Ableitungen für den Lernpfad

Aus all den bisherigen Überlegungen auf der formalen Ebene lassen sich für den Unterricht zentrale Fachinhalte ableiten:

Ganze Zahlen können über Zahlenpaare aus den natürlichen Zahlen oder als »Gegenzahlen« der natürlichen Zahlen entwickelt werden.

  • Natürliche Zahlen sind als Teilmenge in die ganzen Zahlen eingebettet.
  • Die Subtraktion natürlicher Zahlen \(m-n\) mit \(n > m\) ist nun lösbar.
  • Die Rechenregeln werden erweitert, wobei die bekannten weiter gelten. Die wird über das Permanenzprinzip begleitet, bei der Herleitung von Rechenregeln bietet sich die Nutzung von Permanenzreihen an.

2.4.3 Rationale Zahlen

In fachlich analoger Weise lassen sich auch die rationalen Zahlen über Äquivalenzrelationen einführen. Dann fordert die »Quotientengleichheit«, dass für \(k,l,m,n\in\mathbb{N}\) mit \(l,n\neq 0\) gilt: \((k,l)\sim (m,n):\Leftrightarrow k\cdot n=l\cdot m\). Die Äquivalenzklasse \([(1,2)]\) kann dann mit \(\frac{1}{2}\) bezeichnet werden. Im Gegensatz zu den ganzen Zahlen ist es bei den rationalen Zahlen durchaus üblich, für dieselbe Zahl unterschiedliche Bezeichner zu verwenden, wie \(\frac{1}{2}\) oder \(\frac{5}{10}\). Fachmathematisch ist dies jedoch nicht relevant, also auch keine Diskussion auf der formalen Ebene (jedoch auf späteren Ebenen).

Aus Sicht der formalen Ebene lässt sich daher auch nicht ableiten, ob im Mathematikunterricht nach den natürlichen Zahlen zunächst die rationalen Zahlen (wie z. B. in Deutschland) oder erst die ganzen Zahlen (wie z. B. in Australien) eingeführt werden sollten. Innerhalb eines Zahlbereichs bietet jedoch die fachlogische Struktur Ansatzpunkte zur Gestaltung des Lernpfads, wie bei den negativen Zahlen dargestellt.

2.5 Zum Nachbereiten

  1. Nutzen Sie verschiedene fachmathematische und fachdidaktische Quellen sowie Schulbücher, um fachlich zu klären, was »Terme« und »Gleichungen« sind.
  2. Nutzen Sie Permanenzreihen, um weitere Rechengesetze nachzuvollziehen, z. B. dass \(a^0 = 1\) (\(a\neq 0\)) und \(a^\frac{1}{2} = \sqrt{a}\) (\(a \geq 0\)) ist.
  3. Wählen Sie eine Leitidee aus den Bildungsstandards aus und nennen Sie innerhalb dieser Begriffe, Zusammenhänge und Verfahren, die im Mathematikunterricht behandelt werden.

References

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  1. Es handelt sich hier um den Nachdruck eines Werke, dessen erste Auflage 1908 erschien.↩︎

  2. siehe Modulbeschreibung zum Modul MAT-LS-D3 bei PULS↩︎

  3. Mehr zur Kultusministerkonferenz (KMK) und ihrer eigentlichen Bezeichnungen siehe Wikipedia (2022b).↩︎

  4. siehe Modulbeschreibung zum Modul MAT-LS-7 bei PULS↩︎

  5. Ab 10 wird bei der Bezeichnung jedoch das Stellenwertsystem genutzt – das geht schon weiter als hier zulässig.↩︎

  6. Ein wesentlicher Unterschied dieses Vergleiches ist, dass das Alphabet endlich ist, die Menge der natürlichen Zahlen jedoch nicht.↩︎