3 Grundvorstellungen
Ziele
- Sie können die Grundvorstellungsidee beschreiben und wissen über deren Bedeutung für den Mathematikunterricht.
- Ihnen ist bewusst, dass Grundvorstellungen i. d. R. zu Begriffen (Objekten und Operationen) existieren.
- Sie kennen Grundvorstellungen zu einzelnen mathematischen Begriffen.
Material
3.1 Begriffsklärung
3.1.1 Grundvorstellungsidee
Als Sie zu Beginn Ihres Mathematikstudiums die Peano-Axiome zur Definition der natürlichen Zahlen \(\mathbb{N}\) kennengelernt haben, konnten Sie dies wahrscheinlich – trotz der Neuigkeit der formalen Beschreibung – derart mit Ihrer Lebenswelterfahrung in Verbindung bringen, dass natürliche Zahlen abgezählt werden können, also dass damit z. B. die Platzierungen eines Wettrennens durchnummeriert werden können.
Peano-Axiome (Wikipedia, 2021a)
- \(0\) ist eine natürliche Zahl.
- Jede natürliche Zahl \(n\) hat eine natürliche Zahl \(n'\) als Nachfolger.
- \(0\) ist kein Nachfolger einer natürlichen Zahl.
- Natürliche Zahlen mit gleichem Nachfolger sind gleich.
- Enthält die Menge \(X\) die \(0\) und mit jeder natürlichen Zahl \(n\) auch deren Nachfolger \(n'\), so bilden die natürlichen Zahlen eine Teilmenge von \(X\).
Dieser Bezug auf eine bekannte Handlung ist wesentlich dafür, dass die Definition und damit der Begriff der natürlichen Zahlen für Sie mit einem Sinn behaftet ist. Innerhalb dieser ordinalen Sichtweise natürlicher Zahlen helfen nun geeignete8 Repräsentationen dabei, sich Rechenoperationen vorstellen und sie operativ9 auszuführen zu können, also bspw. das Addieren als ein Weiterzählen aufzufassen (siehe Abbildung 3.1).
Mit der Fähigkeit der Verknüpfung des mathematischen Begriffs und der Lebenswelt ist also eine Anwendung des Begriffs auf die Wirklichkeit möglich, insbesondere in Modellierungsprozessen. Dabei sind beide Richtungen relevant: Von der Realsituation zur Mathematik und von der Mathematik zur Realität.
Ziel des Mathematikunterrichts sollte es nun sein, für alle relevanten mathematischen Begriffe ein derartiges Verständnis aufzubauen, was auch heißt, verschiedene Vorstellungen zu einem Begriff zu vermitteln. Nach vom Hofe (1995, 97 f., Hervorhebung durch H.E.) ergibt sich daraus eine Orientierung an Grundvorstellungen im Mathematikunterricht:
Definition 3.1 (Grundvorstellungen) Die Grundvorstellungsidee beschreibt Beziehungen zwischen mathematischen Inhalten und dem Phänomen der individuellen Begriffsbildung. In ihren unterschiedlichen Ausprägungen charakterisiert sie mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten insbesondere drei Aspekte dieses Phänomens:
- Sinnkonstituierung eines Begriffs durch Anknüpfung an bekannte Sach- oder Handlungszusammenhänge bzw. Handlungsvorstellungen,
- Aufbau entsprechender (visueller) Repräsentationen bzw. »Verinnerlichungen«, die operatives Handeln auf der Vorstellungsebene ermöglichen,
- Fähigkeit zur Anwendung eines Begriffs auf die Wirklichkeit durch Erkennen der entsprechenden Struktur in Sachzusammenhängen oder durch Modellieren des Sachproblems mit Hilfe der mathematischen Struktur.
3.1.2 Ausdifferenzierung
Weiterhin unterscheidet vom Hofe (2014) zwischen primären und sekundären Grundvorstellungen, abhängig von der Erfahrungswelt der Handlungen. Während sich primäre Grundvorstellungen auf reale Handlungserfahrungen stützen (z. B. mit Steckwürfeln in der Arithmetik), entstammen sekundäre Grundvorstellungen aus den Handlungen mit bereits im Mathematikunterricht aufgebauten Repräsentationen (z. B. Operationen auf dem Zahlenstrahl).
Einige Quellen unterscheiden zwischen Aspekten und Grundvorstellungen. Nach Greefrath et al. (2016, S. 17) ist ein »Aspekt eines mathematischen Begriffs […] ein Teilbereich des Begriffs, mit dem dieser fachlich charakterisiert werden kann«, während »eine Grundvorstellung zu einem mathematischen Begriff […] eine inhaltliche Deutung des Begriffs [ist], die diesem Sinn gibt.« Im oben angebrachte Beispiel entspräche die Definition der natürlichen Zahlen über die Peano-Axiome dem Ordinalzahlaspekt, der mit der Grundvorstellung verbunden ist, dass die natürlichen Zahlen mit \(0\) beginnend eine feste Reihenfolge beschreiben. Da jedoch nicht alle Quellen diese Unterscheidung so präzise vornehmen und es auch teils zu Vermischungen kommt, soll diese (auf theoretischer Ebene relevante) Diskussion hier in der Stoffdidaktik-Veranstaltung nicht weiter von Relevanz sein. Für Ihre Unterrichtsgestaltung ist insbesondere relevant, dass sie einen aspektreichen bzw. an vielfältigen Grundvorstellungen orientierten Umgang mit Begriffen anstreben. Auch wenn Sie nicht unmittelbar und sofort jeweils alle Aspekte eines Begriffs im Unterricht ansprechen werden, hilft Ihnen das Wissen über den Aspektreichtum in der Unterrichtsplanung für die Ausbildung eines umfassenden Begriffsverständnisses.
Entsprechend ihrer Definition werden Grundvorstellungen für Begriffe erarbeitet – hinsichtlich der Arten mathematischen Wissens (vgl. Abschnitt 2.3.3) also anscheinend nicht für Zusammenhänge und Verfahren. Jedoch können Grundvorstellungen zu einem Begriff sowohl hinsichtlich des Objekts an sich bestehen, als auch hinsichtlich der Operationen mit diesem Begriff. Das Addieren ist beispielsweise im Ordinalzahlaspekt eine Operation, verbunden mit der Grundvorstellung des Weiterzählens. Insofern können auch Zusammenhänge und Verfahren durchaus mit Grundvorstellungen verknüpft werden, sofern der Fokus auf dem Operieren mit den in ihnen enthaltenen Begriffen liegt.
Die in Definition 3.1 dargestellte Grundvorstellungsidee hat einen normativen Charakter, d. h. es wird davon ausgegangen, dass (aus professioneller Sicht der Mathematikdidaktik) zu mathematischen Begriffen bestimmte Grundvorstellungen identifiziert werden können, die es im Unterricht zu vermitteln gilt. Oder anders gefragt: »Welche Grundvorstellungen sind zur Lösung des Problems aus der Sicht des Lehrenden adäquat?« (vom Hofe, 1995, S. 106). Diese Sichtweise wird durch eine deskriptive Perspektive ergänzt: »Welche individuellen Vorstellungen lassen sich im Lösungsversuch des Schülers erkennen?« (vom Hofe, 1995, S. 107). Diese über empirische Untersuchungen zu ermittelnden Vorstellungen sind das, was sich Schülerinnen und Schüler tatsächlich unter einem Begriff vorstellen, wozu ggf. auch typische Fehlvorstellungen10 gehören können. Kenntnisse darüber sind für Lehrkräfte ungemein wichtig, um Ergebnisse von Schülerinnen und Schülern interpretieren und einordnen zu können und dann ggf. entsprechende Hilfsangebote zu machen. Dies entspricht dann einer konstruktiven Perspektive auf Grundvorstellungen: »Worauf sind etwaige Divergenzen zurückzuführen, und wie lassen sich diese beheben?« (vom Hofe, 1995, S. 107).
3.2 GV und Stoffdidaktik
Im Rahmen dieser Veranstaltung, insbesondere den von Ihnen ausgearbeiteten Seminarthemen, wird der Schwerpunkt auf normative Grundvorstellungen gelegt, was der semantischen Ebene des Vier-Ebenen-Ansatzes zugeordnet werden kann, weil die mathematischen Begriffe hier mit einem Sinn versehen werden. Die deskriptive und konstruktive Perspektive sind dagegen der empirischen Ebene zuzuordnen, da hier individuelle Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler von Relevanz sind. Dies betrifft insbesondere auch das Potenzial, (ggf. mathematisch unvollständige) individuelle Vorstellungen aufzugreifen bei der Ausbildung von (normativ erwünschten) Grundvorstellungen.
Das Identifizieren von Grundvorstellungen zu einem Begriff ist, genau wie bei den Fundamentalen Ideen, Aufgabe der mathematikdidaktischen Forschung (ein Modell dafür findet man bei Salle & Clüver, 2021). Als Lehrkraft profitieren Sie von diesen Ergebnissen und nutzen sie für Ihre stoffdidaktische Analyse.
Im Gegensatz zu den fundamentalen Ideen, die ihren Ursprung in der Sachstruktur des mathematischen Inhalts haben, fokussieren die Grundvorstellungen stärker auf den Sinn des fachlichen Begriffs für das Individuum. Grundvorstellungen beziehen sich auf spezifische Begriffe und Operationen mit Begriffen, während fundamentale Ideen größere, themenübergreifende Leitlinien für die Stoffauswahl und -strukturierung bilden.
Für die Unterrichtsplanung und -durchführung ist neben der Frage, welche Grundvorstellungen von Relevanz sind (Spezifizieren im Vier-Ebenen-Ansatz) vor allem interessant, wie diese ausgebildet werden können (Strukturieren im Vier-Ebenen-Ansatz). Letzteres wird u. a. in den nächsten Kapiteln näher beleuchtet.
3.3 Beispiele
3.3.1 Natürliche Zahlen
Betrachten Sie folgenden (fiktiven) Zeitungsartikel:
Harlequin erneut auf dem 1. Platz
Bei dem traditionellen Pferderennen am 15. Mai hat das Pferd Harlequin erneut gewonnen. Unter den 10 Pferden, die an den Start gingen, belegte es mit 21,3 Sekunden den 1. Platz. Damit war es fast 2 mal so schnell unterwegs wie das letzte Pferd, das ins Ziel kam. Karten für das nächste Rennen können unter 030 23125143 bestellt werden.
In dem Text tauchen Zahlen unter vielen Aspekten auf: Der 1. Platz und 15. Mai sind Ordinalzahlen, also Zahlen, die eine Ordnung beschreiben. Wie oben schon beschrieben, lassen diese sich fachmathematisch über die Peano-Axiome beschreiben und wenn mit ihnen gerechnet, entspricht z. B. das Addieren dem Weiterzählen.
Die 10 Pferde stellen eine Kardinalzahl dar, also die Anzahl der Elemente einer Menge. Addiert man Kardinalzahlen, so müssen Mengen vereinigt werden, z. B. anschaulich, indem man sie zusammen legt.
Die 21,3 Sekunden entsprechen einer Maßzahl, da diese Zahl die Funktion hat, etwas auszumessen (hier die Zeit). Das Addieren in diesem Aspekt entspräche dem Aneinanderlegen, z. B. wenn zwei Längenangaben addiert werden.
Dass es 2 mal so schnell wird, enspricht einem Operatoraspekt, mit dem die Vielfachheit eines Vorganges beschrieben wird. Das Addieren ist hierin eine Hinereinanderausführung eines Vorganges.
Die Telefonnumer 030 23125143 wiederum erfüllt einen Codierungsaspekt. Sie hat im mathematischen Sinne keine Bedeutung, nur die Anordnung der Ziffern ist von Relevanz. Entsprechend kann innerhalb dieses Aspektes auch nicht addiert werden. Weitere Beispiele hierfür wären Postleitzahlen oder Identifikationsnummern.
Hinzu kommt noch der Aspekt der Rechenzahl. Informationen dazu sowie eine genauere Erläuterung der Zahlaspekte und damit verbundenen Operationen findet man z. B. bei Krauthausen (2018, 43 ff.).
3.3.2 Bruchzahlen
Nachdem die Schülerinnen und Schüler ihr gesamte Vorschul- und Primarstufenzeit mit Natürlichen Zahlen verbracht haben, treten mit der Einführung von Bruchzahlen Umbrüche in den subjektiven Vorstellungen auf. Zum Beispiel sind folgende (vermeintlichen) Gesetzmäßigkeiten plötzlich nicht mehr gültig:
- Das Produkt zweier Zahlen ist größer als die jeweiligen Faktoren.
- Die Multiplikation kann als wiederholte Addition aufgefasst werden.
- Jede Zahl hat genau einen Repräsentanten.
- Je mehr Stellen eine Zahl hat, desto größer ist sie.
Die Bruchzahlen selbst besitzen nach Padberg & Wartha (2017, 19 ff.) folgende Aspekte:
- Bruch als Anteil eines Ganzen oder mehrerer Ganzer (z. B. \(\frac{2}{3}\) als zwei Drittel einer Pizza oder je ein Drittel von zwei Pizzen),
- Bruch als Maßzahl (z. B. \(\frac{1}{4}\) Liter),
- Bruch als Operator (z. B. \(\frac{1}{5}\) von 250 €),
- Bruch als Verhältnis (z. B. \(\frac{2}{3}\) mit der Bedeutung 2 von 3 Schüler/-innen tragen eine Brille),
- Bruch als Quotient (z. B. \(\frac{3}{5}\) als Ergebnis bzw. andere Schreibweise von \(3:5\)),
- Bruch als Lösung einer linearen Gleichung (z. B. \(\frac{3}{5}\) als Lösung von \(5x = 3\)),
- Bruch als Skalenwert (z. B. \(\frac{3}{2}\) als Mitte zwischen \(1\) und \(2\) auf dem Zahlenstrahl),
- Quasikardinale Auffassung von Brüchen (z. B. \(\frac{3}{5}\) als 3 mal \(\frac{1}{5}\)).
Neben den Grundrechenoperationen führt auch das Vergleichen von Brüchen zu Grundvorstellungsumbrüchen. Hinzu kommen noch besondere Operationen mit Bruchzahlen wie das Erweitern und Kürzen.
Das Multiplizieren von Brüchen kann bspw. als Anteilsbildung (\(\frac{1}{5}\) mal … heißt \(\frac{1}{5}\) von …) oder als Rechteckfläche aufgefasst werden (Padberg & Wartha, 2017, 108 ff), siehe Abbildung 3.2.
All dies zeigt, dass Brüche behutsam unterrichtet werden sollten und von einer rein kalkülorientierten Behandlung unbedingt abgesehen werden muss, da diese den nachhaltigen Lernerfolg deutlich mindert.
3.3.3 Negative Zahlen
Aufbauend auf die in Abschnitt 2.4 erfolgte Diskussion zur formalen Ebene von negativen Zahlen, soll zu diesen nun die Grundvorstellungsidee auf der semantischen Ebene diskutiert werden.
Die Einführung negativer Zahlen ist für Schülerinnen und Schüler mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden (vom Hofe & Hattermann, 2014). Diese sind eigentlich auf der empirischen Ebene der stoffdidaktischen Analyse angesiedelt, sollen aber hier wegen ihrer Nähe zu den Grundvorstellungen schon einmal erwähnt werden.
- So bestehen etwa für das Minus-Zeichen vielfältige Interpretationsmöglichkeiten als Vorzeichen (z. B. in der Rechnung \(-5+2\)), als Rechenzeichen (z. B. in der Rechnung \(7-2\)) oder als Inversionszeichen (z. B. bei der Darstellung \(-a\) als Gegenzahl für \(a\)).
- Der in den natürlichen Zahlen vorhandene Kardinalzahlaspekt (dass die Zahl die Mächtigkeit einer Menge angibt), ist in den negativen Zahlen nicht mehr tragfähig (es existiert keine \(-4\)-elementige Menge). Auch der Ordinalzahlaspekt (dass die Zahl eine Position angibt) ist nur eingeschränkt tragfähig (eine \(-4\)-te Position bedarf vielfältiger Zwischeninterpretationen). Der Maßzahlaspekt (z. B. über die Angabe einer Zahl auf dem Zahlenstrahl) dagegen ist auf die negativen Zahlen erweiterbar.
- Die Ordnungsrelation wird häufig fehlinterpretiert über eine spiegelbildliche Interpretation (z. B. kann fälschlicherweise \(-5>-3\) angenommen werden). Eine Ursache kann hier darin liegen, dass die Ordnungsrelation zuvor über die Mächtigkeit von Mengen hergestellt wurde, was nun nicht mehr möglich ist.
Gegenüber den natürlichen Zahlen sind also im Umgang mit negativen Zahlen einige Grundvorstellungsumbrüche zu absolvieren. Als normativ auszubildende Grundvorstellungen fassen vom Hofe & Hattermann (2014) für rationale Zahlen (als Obermenge positiver und negativer Zahlen) zusammen:
- Rationale Zahlen als relative Zahlen bezüglich einer fest gewählten Vergleichsmarke: Dies ist etwa bei Etagen-Angaben, Temperaturen oder der Position über/unter dem Wasserspiegel der Fall. Gerade bei Temperaturen kann die Beliebigkeit der Vergleichsmarke (0 °C) gut diskutiert werden, da etwa andere Temperaturskalen (°F, K) eine andere Vergleichsmarke gewählt haben.
- Rationale Zahlen als Gegensätze: Diese Vorstellung wird z. B. sichtbar, wenn über Guthaben und Schulden gesprochen wird. Hat man 5 € Schulden, so ist dies der Gegensatz von 5 € Guthaben. Die Vergleichsmarke (0 €) ist hier nicht beliebig gewählt, sondern natürlicherweise über »weder Guthaben noch Schulden« gegeben. Auch der Betrag einer Zahl kann in dieser Vorstellung besonders gut verstanden werden.
- Rationale Zahlen als Richtungen: Negative Zahlen beschreiben in dieser Vorstellung die entgegengesetzte Richtung der positiven Zahlen. Dies ist z. B. bei der Verwendung von Koordinatensystemen der Fall, oder ganz allgemein bei der Zahlengeraden.
- Rationale Zahlen als Zustände und Zustandsänderungen: In dieser Vorstellung bieten rationale Zahlen nicht nur die Möglichkeit, einen Zustand (wie Guthaben oder Schulden) zu beschreiben, sondern auch den Prozess der Änderung dieser Zustände (Erhalt von Guthaben, Erlass von Schulden, …). Eine solche Vorstellung etwa ist nötig, um die verschiedenen Interpretationen des Minus-Zeichens nachvollziehen zu können.
Als bedeutsamste Repräsentation negativer Zahlen gilt die Zahlengerade. Diese stützt einerseits den Maßzahlaspekt und ermöglicht über die Darstellung von Punkten und Pfeilen (siehe Abbildung 3.3) auch eine Interpretation in den verschiedenen Grundvorstellungen.
Auch Operationen mit negativen Zahlen sind hierzu nun verständlich behandelbar:
- So kann das Addieren/Subtrahieren als Anlegen von Pfeilen, gerichtetes Weiter-/Zurückzählen oder als Subtraktion/Addition der Gegenzahl aufgefasst werden.
- Das Multiplizieren kann bei der Multiplikation mit einer positiven Zahl als Streckung/Stauchung aufgefasst werden, die Multiplikation mit \(-1\) entspricht der Spiegelung an der Null und die Multiplikation mit einer beliebigen negativen Zahl ist eine Kombination aus beidem.
- Der Größenvergleich ist nun über einen Lagevergleich auf der Zahlengeraden möglich, wobei weiter links liegende Zahlen immer kleiner sind als weiter rechts liegende.
Zusammenfassend lassen sich auf der semantischen Ebene folgende für den Lernpfad relevanten Zusammenhänge ableiten:
- Rationale Zahlen sollten als relative Zahlen bezüglich einer fest gewählten Vergleichsmarke, als Gegensätze, als Richtungen sowie als Zustände und Zustandsänderungen aufgefasst werden können.
- Die Zahlengerade ist eine wesentliche Repräsentation rationaler Zahlen, anhand derer auch die Operationen mit rationalen Zahlen sichtbar gemacht werden können.
3.4 Zum Nachbereiten
Bearbeiten Sie folgende Aufgaben entweder am Begriff Variable oder am Begriff Term. Als Quelle sei Weigand et al. (2022) zu empfehlen.
- Informieren Sie sich über die Grundvorstellungen zum gewählten Begriff.
- Arbeiten Sie heraus, inwiefern die Aspekte der Grundvorstellungsidee erfüllt werden, d. h.
- stellen Sie die Sinnhaftigkeit des Begriffs durch mögliche Handlungserfahrungen dar,
- finden Sie geeignete Repräsentationen, anhand derer operatives Handeln ermöglicht wird und
- beschreiben Sie mögliche Modellierungsprozesse des Begriffs mithilfe der gewählten Grundvorstellung.
- Diskutieren Sie, ob es sich um primäre oder sekundäre Grundvorstellungen handelt.
References
Geeignet heißt in diesem Fall, dass sich die Kernaussage des Begriffs in der Repräsentation wiederfindet. Im Ordinalzahlaspekt ist dies v. a. die Reihung von Zahlen. Was dabei (noch) nicht relevant ist, ist zum Beispiel die exakte Messbarkeit, wie man sie etwa auf dem Zahlenstrahl repräsentiert.↩︎
Operativ heißt hier zum Beispiel, dass Sie zu einer Aufgabe wie \(2+7\) Nachbaraufgaben (\(2+8\)), Umkehraufgaben (\(7-2\)), Platzhalteraufgaben (\(2+\boxed{\phantom{5}}=7\)) usw. aufstellen und lösen können.↩︎
Mit Fehlvorstellungen sind hier individuelle Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler gemeint, die mathematisch nicht tragfähig und daher aus fachlicher Perspektive fehlerhaft sind. So ist etwa die Vorstellung, dass Multiplizieren immer vergrößert, in den Natürlichen Zahlen tragfähig (und damit eine Grundvorstellung), in den Bruchzahlen jedoch nicht mehr tragfähig und wird dort dann zur Fehlvorstellung. Neben Fehlvorstellungen können weitere individuelle Vorstellungen Alltagsvorstellungen, Präkonzepte o. ä. sein (siehe auch Schecker et al., 2018, 11 f.).↩︎